Normalerweise verbringen BGJ-Zimmerer/Zimmerinnen viel Zeit in der Werkstatthalle. Coronabedingt war in den vergangenen Wochen allerdings Distanzunterricht angesagt. Im Interview erzählt Fachlehrer Markus Rösch von den Beruflichen Schulen Altötting, wie der Schulalltag für BGJ-Azubis aussah und, warum das Berufsgrundschuljahr unersetzlich ist.
Wie sah der Unterricht für die BGJ-Schüler in Altötting in den vergangenen Wochen aus?
Technisch sind wir gut aufgestellt. Schon vor Jahren führten die Beruflichen Schulen Altötting MS-Teams ein. Mit unseren neuen BGJ-Schülern haben wir gleich im September begonnen, mit der Lernplattform zu arbeiten. So war der Wechsel von Präsenz- auf Distanzunterricht kaum ein Problem.
Doch die mangelhaften Internetverbindungen unserer Schule und der Schüler/-innen zuhause bereiten uns manchmal Hürden. Der Landkreis arbeitet allerdings fortlaufend an Verbesserungen, bis wir einen Glasfaseranschluss bekommen.
Welche Vor- und Nachteile sehen Sie im Online-Unterricht?
Zunächst muss man konstatieren, dass Onlineunterricht keinesfalls den Präsenzunterricht ersetzen kann! Der unmittelbare Kontakt zwischen Lehrer/-innen und Schüler/-innen im Unterricht ist enorm gewinnbringend und für beide Seiten wertvoll. Zudem fehlen die Leistungsnachweise für Schüler, damit sie ihren Leistungsstand einordnen können.
Ein weiteres Problem sind die enormen Datenübertragungsraten. Jedes gestreamte Video, Arbeitsblatt oder sonstiges Unterrichtsmaterial verursacht zusätzlichen Datenverkehr. Dennoch haben wir auch positive Erfahrungen gesammelt: Unsere Schüler lernen etwa, wie sie mit modernen Kommunikationsmitteln professionell und verantwortungsvoll umgehen.
Und wie fit sind die Azubis nach drei BGJ-Monaten?
Da unsere BGJ-Zimmerer/Zimmerinnen in geteilten Werkbankräumen arbeiten konnten, ist nur wenig Praxisunterricht ausgefallen. Wenn nur Online-Unterricht möglich war, haben wir einen Schwerpunkt auf Inhalte gelegt, welche die Schüler/-innen später im Präsenz-Praxisunterricht wieder nutzen können, zum Beispiel Aufrisse und Abbundberechnungen.
Dadurch sind die Azubis bislang nicht erkennbar schlechter gestellt als ihre Vorgänger. In Zusammenarbeit mit der Innung und den Ausbildungsbetrieben passen wir unsere Jahresplanung (Unterrichtsthemen, Praktika, etc.) ständig an die veränderte Situation an.
Das Berufsgrundschuljahr ist vieldiskutiert. Warum macht es Sinn?
Der größte Vorteil ist die breitgefächerte Grundausbildung. Ich habe selbst erfahren, wie wertvoll das BGJ Zimmerer ist. In keiner anderen Lehre lernt man so viele Gewerke kennen. So erhält man einen umfassenden Grundstock für die anschließenden zwei Jahre in der Fachstufe der Ausbildung. Das gilt sowohl für theoretische Lerninhalte als auch für die handwerklichen Grundfertigkeiten. Diesen Mehrwert schätzen auch unsere Ausbildungsbetriebe.
Außerdem wird im BGJ der Umgang mit vielen scharfen, durchaus gefährlichen Werkzeugen sowie mit Maschinen erlernt, die eine gründliche Anlernphase verlangen. Das Lernen geschieht sehr behutsam und ohne jeglichen Zeitdruck. Mit diesen Grundsteinen werden Zimmereien auch künftig gut ausgebildete Mitarbeiter gewinnen, welche das Tragwerk unserer Unternehmen bilden. Kurzsichtige bildungspolitische Trends werden das stabile Bauwerk der Zimmerer-Ausbildung nicht ins Schwanken bringen!
Was fehlt den Azubis, wenn das BGJ wegfallen würde?
Zeit und der Schonraum Schule! In diesem Jahr haben Jugendliche Zeit, sich selbst zu entwickeln, an ihren Fehlern zu lernen und die Begeisterung für ihren Beruf auszubauen. Unfallverhütung und der fachmännische Umgang mit gefährlichen Werkzeugen und Maschinen unter ständiger Aufsicht von qualifizierten Lehrern sind hier zu nennen. Das alles ist in einer gewinnorientierten Firmenstruktur nur deutlich schwerer möglich.
Subjektiv empfunden hat man außerdem den Eindruck, dass dem Freistaat Bayern die Bedeutung des Berufsgrundschuljahres sehr bewusst ist. In kaum eine Grundbildung fließt so viel Geld (in Form von Lehrerstunden, Ausstattung, Materialkosten, etc.) wie in das BGJ.
Und welche Projekte stehen in den kommenden BGJ-Monaten in Altötting an?
Wenn die Schüler/-innen wieder zur Schule kommen, werden sie an der Eckausbildung einer Fachwerkwand arbeiten und zum Holzmassivbau übergehen. Anschließend starten wir mit dem Pfettendach für das Projekthaus. Die große Projektarbeit in verschiedenen Zimmerer-Teams ist für das Jahresende angedacht. Wie und in welchem Umfang wir das umsetzen können, hängt maßgeblich von den Hygienevorschriften für den Unterricht ab.